Die wahre Pracht – Happy Weekend Dat Album + Kurzinterview

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Die wahre Pracht – Happy Weekend Dat Album
Oldschool Records | CD + MC

Gleich zu Anfang sei folgendes mit auf den Weg gegeben, wer einen Stock quer im Arsch sitzen hat, der sollte sich besser mit anderen Klängen beschäftigen, also daher; packt den moralischen Kompass ein, macht euch ein kühles Blondes auf und lehnt euch zurück, Die wahre Pracht bringt euch Back to the Boots Roots

Was schoss mir durch den Kopf, als ich die ersten Lieder von diesem Tonträger gehört hatte? Kurz und knapp, Macht & Ehre trifft auf die Kassierer, lach. Hier wurde die Zeit zurückgedreht, nicht nur, dass das Material einfach einen rotzfrechen Charakter besitzt, auch ist dieses Album kein Ergebnis jüngster Saufgelage von einigen musikalisch motivierten Glatzköpfen. Nein, denn wenn man es genau nimmt, ist die vorliegende Studioscheibe “Happy Weekend Dat Album”, die zeitgemäße und technisch sauber aufgenommene Variante des 1990/91 Demotapes. Na ja, zumindest zu einem großen Teil. Einige Lieder mussten aus juristischen Gründen weichen, einige abgeändert und vier neue Titel sind hinzugekommen, die passend zum alten Tape bzw. Liedgut arrangiert wurden.
Mit “Happy Weekend Dat Album” haben wir zweifelsohne wieder den Aufreger des Jahres für alle Moralapostel und verklemmten Spießer. Warum? Ja, erinnert ihr euch noch an das letzte Album der Prolligans, wo es einigen zu vulgär in den Texten zuging und zu viele Möpse zu sehen waren? Im Grunde geht es hier ähnlich weiter, mit Miesling am Mikro geht es hier textlich zurück in die frühen Neunziger und der subkulturellen Unbeschwertheit. Die Einigkeit der Skinheadszene wird in dem Lied “United Skins” genauso wie die politische Auseinandersetzung mit dem Staat und den Roten in den Nummern “Besatzer raus” oder “Zeckensau” besungen. Erstgenannte Nummer kommt übrigens mit einigen Gaststimmen daher. Die Nummer “Nur für eine Nacht zurück” spricht dann sicherlich jedem alten Hasen und jenen aus der Seele, die sich gerne mal mit den Gedanken und Erinnerungen in die Vergangenheit flüchten.
All diese und weitere rotzfrech-angriffslustige Texte wurden schon flott neu vertont und mit einigen wirklich stimmungsvollen Soloeinlagen und einer guten Dosis Melodie verfeinert. Ja, und hinterm Mikro findet man den guten, alten Miesling. Zu diesem obszön-aggressiven Schreihals brauch man wohl nicht mehr viel sagen und schreiben, oder? Miesling ist ein wandelndes Relikt aus den Tagen, als schwere Stiefel, Bomberjacken und Straßenschlachten noch Programm waren. Seine ganz eigenwillige Art zu “Singen”, he, he, erinnert verdammt stark an Jones von Macht & Ehre, und dies wird eben auch der finale Punkt sein, der dieses Werk bei der Hörerschaft interessant oder eben nicht werden lässt. Dazwischen gibt es nichts.

So, der Aufreger des Jahres ist gefunden, wie geht es nun weiter? Schauen oder hören wir einfach mal. Der vorliegende Tonträger ist von Oldschool Records auf jeden Fall richtig schick verpackt. Die Aufmachung kommt dem Tape ziemlich nah vom Covermotiv her. Im Beiheft findet ihr alle Texte zum Nachlesen und technisch braucht sich das Teil auch nicht versteckt.

Strolche, Die wahre Pracht nimmt euch mit auf eine musikalische Zeitreise, ungeniert, ungehemmt und frei heraus werden die zehn Lieder dieser Produktion durch die heimischen Boxen gedrückt. SIcher, man sollte dieses Werk mit Augenzwinkern und viel Spaß am nostalgischen Ton hören, dann springt der Funke auch rüber. Ein Studioalbum mit jede Menge Retrocharakter und scharmloser Propaganda, einfach unterhaltsam. Ach ja, neben der CD im klassischen Jewelcase, gibt es noch eine limitierte MC, von dieser Edition gibt es einhundert Stück. Das sind diese altmodischen Magnetbänder, für alle die, die sich nun fragend an der Birne kratzen.

Titelliste:
01. Happy Weekend
02. Für die neue Zeit
03. Das Kameradschaftslied
04. Unsterblich
05. Wir werden siegen
06. Besatzer raus
07. United Skins
08. Fanzines
09. Zeckensau
10. Nur für eine Nacht zurück

Hörprobe – Die wahre Pracht – United Skins:

 


Kurzinterview mit Miesling

Frontmagazin:
Dieter, vielen Dank das du etwas Zeit gefunden hast für dieses Kurzinterview. Ich lasse das Süßholzgeraspel direkt bleiben und falle direkt mit der Tür ins Haus; was hat dich dazu veranlasst es nach all den Jahren noch einmal mit Die wahre Pracht zu versuchen? Oder anders gesagt, warum hat es so verdammt lange gedauert, bis zum ersten Studioalbum?

Miesling:
Tatsächlich wurde ich die letzten Jahre wieder vermehrt auf „Die Wahre Pracht“ und das damalige Demotape (Aufgenommen 1990/91, indiziert 1994) angesprochen und erinnert. Auch, weil einige alten Hasen ihre Tape-Sammlung wiederentdeckten. Immer öfters gab es mal Stimmen, die meinten: Man sollte, man könnte, man müsste, doch den alten Krach wieder pressen, aufnehmen, mastern, etc. . Im Frühjahr 2023, hockte ich mit einem Ruhrpott Skinhead und Musiker, beim Bier in meiner Zitadelle, und da wurde die Idee einer Neuaufnahme realistisch angedacht. Es folgten anwaltliche Prüfung, Ton Spuren mit den Instrumenten, Texte wurden verfasst. Und im Winter 2023/2024 wurde dann alles eingesungen. (Kann man das Singen nennen?) Ich hatte das Thema DWP als Kapitel meiner Jugend fast abgehakt. Tanzte ich doch über Jahrzehnte auf vielen Hochzeiten (Das ist jetzt doppeldeutig :-P), aber wurde dann so motiviert und überredet, dass ich nicht mehr nein sagen konnte. Das Ergebnis ist bekannt. 😉

Frontmagazin:
Wie kam es eigentlich dazu, das Die Wahre Pracht gegründet wurde? Aus einer reinen Bierlaune heraus oder hattest du tatsächlich eine ernstzunehmende Motivation und passende Gründe für diesen musikalischen Meilenstein unterhaltsamer Glatzenmucke, ha, ha

Miesling:
Als ich zur Kombo gestoßen bin, hatten die Jungs schon zusammengespielt. Für sich und für Freunde, in einer Garage im Hafen von Datteln. Als ich mit anderen zu einer der legendären Garagen Partys mit live Musik geladen wurde, ergab es sich das ich irgendwann das Mikro in der Hand hatte und trällerte. Darauf hin wurde ich gefragt, ob ich nicht mit einsteigen möchte. Zum Spaß natürlich. Irgendwann nahmen wir dann mit einem Ghettoblaster (Oder so was in der Art) mal einem Ü-Abend und eine Party in der Garage auf. Das Beste ( :-D) wurde zusammengeschnitten, und Folge war das Legendäre Demo Tape. Der Band Name entstand aus einer Bierlaune und Wortspielen kurz vor dem Zusammenschnitt. Professionell zu werden, stand nicht im Fokus. Es war die Abwechslung, die Belohnung für uns und die Kameraden in der Region, am Wochenende Musik zu machen. So wie es Ian Stuart (Sinngemäß) einmal formulierte: „Die Musik am Wochenende dient zur Erholung und Belohnung der Aktivisten. Sie soll kein Selbstzweck sein“. Spätestens 1992 verloren wir den Ü-Raum und danach auch die Band sich aus den Augen (Leider bis heute). Es gab dann noch ein Plattenangebot, welches wir aber ablehnten. Aus praktischen aber auch anderen Gründen.

Frontmagazin:
Das eine oder andere Lied gestrichen, hier und dort ein paar Änderungen aber im Großen und Ganzen kann man sagen, dass deine Demo hier zeitgemäß neu vertont wurde, oder? Wie war das, nach all den Jahren die alten Lieder neu aufzunehmen?

Miesling:
Zunächst: es war nicht Meine Demo, es war unser Demo! Gestrichen wurden im Grunde nur die Cover, welche auf dem Demo waren. Die 5 eigenen Lieder auf dem Demo haben mit geringen Inhaltlichen, aber nicht sinnentstellenden, Änderungen überlebt und befinden sich auf dem Silberling. Dazu wurden im alten Stil 4 neue Lieder komponiert und Texte geschrieben. Auch die neuen Texte aus der Sicht und dem Gefühl von damals. Hinzu kommt ein Cover, bei dem ich auch Gaststimmen eingeladen habe, und diese Begeistert sofort einstiegen (Danke!). Von der ersten Tonspur, bis zum letzten gesungenen Wort war es schon irgendwie seltsam, das alles noch einmal, aber „richtig“ und für ein größeres Publikum zu machen. Der Fokus lag auf Authentizität. Kein Hochglanz, keine Politische Korrektheit (Die Rechtliche „Korrektheit“ hatte der Anwalt im Auge). Ja, die Technik war besser, und der ganze Prozess gab mir auch Einblicke, die ich bisher nicht hatte, was den ganzen Ablauf einer Produktion betrifft, und mich nun vieles mit mehr Verstand und Verständnis sehen lässt. Aber ich glaubte bis zur ersten Strophe vor dem Mikro nicht, dass ich das alles noch ein mal machen darf. Wie bei meinen Reden auf Veranstaltungen und Demonstrationen, hatte ich zunächst „Lampenfieber“. Aber ebenfalls wie bei meinen Reden, verflog dieses wieder in dem Moment, wo ich die Klappe aufmachte. Ich wurde bei dem ganzen Aufnahmeprozess aber auch wirklich (Zumeist 😉 ) geduldig und professionell getragen. Schon am ersten Tag stellte ich fest: „Aus Spaß wurde Ernst. Und dieser Ernst machte Spaß!“.

Frontmagazin:
Man möchte ja fast meinen, das du Jones musikalischer Bruder bist, allerdings mit einem Hauch mehr Sexappeal und (noch immer lebendigen) Skinhead-Attitüden. Wenn du selbst Die Wahre Pracht vorstellen solltest, wie würdest du der Menschheit dieses musikalische Werk beschreiben und vorstellen?

Miesling:
Wo war denn mein Vater bloß überall unterwegs? 😀 Ich kenne Jones schon ewig, aber Brüder? Nun, bei der Aufnahme stellten wir aber tatsächlich eine stimmliche Palette von Wölfi bis Jones fest, und lachten selbst am meisten darüber. Was sich aber wohl als Merkmal herausstellen kann. Ich habe aus meiner nicht vorhandenen Gesangsstimme das Beste herausgeholt. Auch das ist der „Way of life“. Aus allem das Beste machen und dabei Spaß haben. Und sich selbst vor allem nicht immer zu ernst nehmen. Und wenn man das einmal gelebt und verinnerlicht hat, ist es auch der „Way of life“. Auch wenn ich jetzt einen Friseur besuche, so ist mein Herz doch immer noch kahlgeschoren! Und wird es auch immer bleiben! Eine Selbstbestimmung oder Vorstellung von Die Wahre Pracht würde ich kurz und prägnant als „Scheiße aber geil!“ überschreiben. 😉

Frontmagazin:
So, und jetzt, wie geht es weiter, nachdem du bei Oldschool Records den fettesten der fettesten Plattendeals, in der Labelgeschichte unterschreiben hast? Tour durch Schland, Split mit Jenny Woo vielleicht oder doch erst einmal eine zweite Runde auf Compact Disc und Vinyl aus dem Studio?

Miesling:
Mein Gewinn ist die Tatsache, dass DWP mit „Happy Weekend / Dat Album“ nun endlich eine offizielle Lichtscheibe und ein professionelles Tape realisiert hat. Manche Dinge benötigen halt ihre Zeit. Bei Oldschool Records will man den Fuhrpark jetzt allerdings auf Jaguar umstellen. Dem Plattenboss gefällt nämlich die neue Markenwerbung ausnehmend gut, und er möchte die neuzeitliche Firmen-Philosophie unterstützen. 😀 Ob es noch ein mal zu Auftritten, oder Studio besuchen kommen wird steht in den Sternen. Konkret geplant ist zu diesem Zeitpunkt nichts. Aber ich höre mich auch nicht nein sagen. (Wer ist Jenny Woo? 😉 )

Frontmagazin:
Dieter, Spaß bei Seite gelassen und ab dafür, herzlichen Glückwunsch, “Happy Weekend Dat Album” ist wirklich ein stimmungsvolles und auch nostalgisches kleines Schmuddelscheibchen geworden. Es braucht nicht immer irgendwelche pseudointellektuelle Lyrik um zu überzeugen. Nein, es sind vielmehr diese ehrlichen und auch irgendwo anstößigen, dafür aber authentischen Werke die eine ganze Jugendkultur repräsentiert. Auch wenn viele es (heute) nicht wahrhaben wollen. Ich wünsche dir und deiner Familie ein paar erholsame Festtage und lass dir den Ruhm schmecken. Oi!

Miesling:
Ich bedanke mich bei dir und den Lesern für das entgegengebrachte Interesse. „Skinheads never die!“, und DWP ist der Beweis. Auch wenn heute viele Schnösel und Besserwisser den Kult negieren, so hat er doch Generation bewegt, und bewegt sie noch immer. Auch damals (vor über 30 Jahren) war nicht alles „Braun was glänzte“, aber es war echt. „Ficken, Saufen, Kloppen“, und für die Heimat einstehen war und ist das Credo. Davon kann sich so mancher „Rotarsch und Student“ eine Scheibe abschneiden. Wir wollten und wollen nicht Anschluss- oder gesellschaftsfähig sein. Deshalb: Skinheads in die Parlamente und eine schöne Julzeit / Weihnachtszeit euch allen dort draußen! Silberling und Tape kaufen nicht vergessen! Oi! und Möh!

Author: Frontmagazin
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