Odessa – Kämpfer
PC Records | CD
Das Warten hat ein Ende und nach einer gefühlten Ewigkeit ist es nun endlich so weit, mit “Kämpfer” melden sich Odessa endlich auf einem physikalischen Medium zurück…
Nachdem der eine oder andere, akustische Vorgeschmack vor einiger Zeit ertönte, u.a. in einer Folge von Frontmagazin TV, gibt es inzwischen die volle Dosis von Thomas und seinen Musikern. Odessa melden sich zurück und bereits nach kurzer Zeit kann man deutlich hörbar vernehmen, dass an Wut und Energie in all den Jahren nicht wirklich etwas verloren ging. Mit elf Liedern meldet sich die Band brachial bei ihrer Hörerschaft zurück, durchgehend in deutscher Sprache verfasste Texte und vorgetragen durch eine unverkennbare Stimme. Nein, nicht weil sich Thomas tatsächlich irgendwie anhört, wie Uwocaust´s kleiner Bruder, ha, ha, sondern weil zwischen all den tiefen Gebrülle, harten Shoutings und “Gigis für Arme” Stimmchen, die sich so in den letzten Monaten und Jahren vorgestellt haben, endlich mal wieder eine wirklich angenehme, harte und doch abwechslungsreiche Stimme mit einer nicht standardisierten, gezwungenen Gesangsart daher kommt.
Musikalisch spielt die Band eine interessante Fusion aus klassischen, teils härteren Rock und Metal, vereinzelt erklingen hier und dort einige Hardcore-Elemente der alten Schule. Bereits die Anfangstage von Odessa waren von einer, mehr oder weniger, härteren Gangart geprägt, schon das erste, leider indizierte Album der Band, hat eine deutlich hörbar härtere Klangkulisse zu bieten. Shed NO Tears möchte ich an dieser Stelle mal außen vor lassen. Wem also eine abwechslungsreiche und experimentelle Klangkulisse gefällt, die dazu mehrere Stilrichtungen vereint, der wird sicherlich Spaß an dem musikalischen Material auf der neuen Studioscheibe von Odessa haben. Trotz aller Härte in den Klängen, stellenweise haben doch ziemlich harte Riffs überrascht, bleibt der melodische Teil nicht auf der Strecke. So bekommen wir beispielsweise in dem Titellied “Kämpfer”, neben einem angenehm interessant arrangierten, mehrstimmigen Gesang im Kehrreim, eine rhythmische Struktur in der Lead-Gitarre geboten. Bei dem Lied “04277”, welches sich thematisch überwiegend um die Antifaszene in bzw. um den Stadtteil Connewitz dreht, stark einprägsame Hooklines und, wenn man das bei dem Lied so sagen kann, fetzige “Gangshouts” im Kehrreim. Geht auf jeden Fall gut ab. Neben all der Politik, aktivistisch wie historisch beeinflusst und geprägt, wie im dem Lied “Fällt Klessin, dann fällt Berlin”, geht es auch persönlich und emotional zur Sache. Das Lied “Mein Kind” ist beispielsweise eine wunderschöne Nummer, trotz musikalischer Härte, in angemessener Form, die der Thomas seinem Sprössling gewidmet hat. Dürfte selbsterklärend sein, oder? Ein wunderbarer Text und ich bin mir sicher, dass jede Mutter und jeder Vater die Zeilen nachempfinden können. Und dann haben wir noch die Geschichte der Preußen und der Sachsen… das Lied “Sachsens Glanz & Preußens Gloria” dürfte die Überraschungsnummer auf dieser Studioscheibe sein. Eine musikalische Ehrerweisung für den Bund, der zwischen Preußen und der Sachsen lebt. Ihr müsst es hören, dann werdet ihr verstehen und damit nicht genug, um dieser Nummer noch einen draufzusetzen, hat sich Thomas drei befreundete Musiker ins Studio eingeladen, um diese Nummer gemeinsam zu verewigen. In dem Lied “Sachsens Glanz & Preußens Gloria” hört ihr, neben Thomas, noch den Sänger von Legion of Thor – ich habe ihn wirklich nicht erkannt und dabei liebe ich die Mucke von LoT – sowie der Udo von Sachsonia, den Sänger von Selbststeller und, Trommelwirbel der Bruderstimmen wegen, der gute Uwocaust. So, und nun den Lautstärkeregler auf Anschlag. Endgeile Nummer.
Produziert wurde das neue Studioalbum von PC Records, was bereits im Vorfeld bekannt war und wie es sicherlich nicht anders zu erwarten war, auch gelungen ist. Optisch mach die Produktion einen schicken Eindruck, die Gestaltung des Digis und die des Booklets machen was her. Im Beiheft wurden alle Texte abgedruckt und diese wurden mit passenden Bilder verfeinert. Hier und dort noch etwas Glanzlack auf dem Deckel und fertig, eine optisch schicke Produktion. Aber auch technisch braucht das Werk sich nicht verstecken, das Album bietet einen voluminösen Klang, sauber abgemischt und druckvoll.
Odessa haben sich mit “Kämpfer” eindrucksvoll zurückgemeldet. Ein Album mit unglaublich viel Abwechslung, jede Menge Facetten und Fusionen von Stilrichtungen, außerdem noch eine starke Klangkulisse und mehrstimmigen Gesängen. Ja, da hat sich das Warten gelohnt und ich muss sagen, dieses Album steht bei mir ziemlich hoch im Kurs. Durch eine, fast schon naive und jugendlich gebliebene Gelassenheit, haben Odessa sich bei mir ins Herz gespielt. Dazu reiht sich noch der Umstand der Unterschiedlichkeit zum allgemein gängig gewordenen “immer böser, immer tiefer, immer brutaler” klingenden Sound dazu. Ein wirklich starkes Album, ehrlich, Hut ab!
Titelliste:
01. Totgesagte leben länger
02. Freier Geist
03. Kämpfer
04. 04277
05. Mein Kind
06. Kriegsgeschrei
07. Der Verrat
08. Fällt Klessin, dann fällt Berlin
09. Heilig Fahnentuch
10. Sachsens Glanz & Preußens Gloria
11. Leben heißt Kampf
Hörprobe – Odessa – 04277: